Geomantie - Orte der Kraft

mit einem kleinen Exkurs über die Frauenkirche von Dresden

von Ing. Christian Galko

Mit dem Begriff Geomantie bezeichnet man eine sehr alte Tradition, bei der die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Qualitäten eines Standortes im Vordergrund steht. Es ist das Gespür für die Erde.

Seit Urzeiten war es den Menschen ein Anliegen, beim Bau ihrer Siedlungen und Kultstätten sich dieser sehr differenzierten Systeme zu bedienen. Die Leute stellen ihre Bauten äußerst behutsam auf damit sich diese in die großräumigen Landschaftsstrukturen einfügen ohne diese zu beeinträchtigen. In praktisch allen Kulturen kennt man diese Grundsätze der Harmonie. In den letzten Jahren boomte geradezu eine fernöstliche Variante - das Feng Shui. In Indien werden Häuser und Tempel nach den Richtlinien des Vaastu gebaut, in Madagaskar heißt es Vintara und in Burma Yattara. Die europäische Variation dabei ist die Geomantie. Trotz der unterschiedlichen Sichtweisen steht immer das Leben in Harmonie im Vordergrund, ein gesundes und glückliches Wohnen.

Die Architektur bis zum Zeitalter der Aufklärung wurde geprägt durch die Beachtung des Wesens eines Ortes und die Auswirkung durch das Bauwerk an sich. Verschiedenen Maßnahmen verstärken sogar die feinstoffliche Prägung des Standortes. Scheinbar spielerisch verwendete man früher Gänge, Säulen, Stufen, Türen und Tore um die positiven Energieströme in das Bauwerk hineinfließen zu lassen. Der Grundriß, die Maße, Höhe und Proportion, der Baustoff und die schmückenden Elemente bilden dabei ein geomantisches Gesamtwerk, bei dem durch geeignete Maßnahmen die günstigen Aspekte verstärkt werden.

Jeder kennt sicher den Effekt, daß Bereiche gibt, die zum Verweilen einladen und bei anderen möchte man am Liebsten davonlaufen, an einem Platz wird man immer müde und andere hingegen regen sehr stark an. Jeder Ort ist geprägt durch eine bestimmte Energie, deren Ursache in den Energieströmen, den Gebäuden und den dort erfolgten Handlungen liegt.

Beim Bauwerk berücksichtigte man diese unterschiedlichen Charaktere bei der Anordnung der Räume und deren Verwendung. Kirchen und Klöster gelten hier als Paradebeispiele, bei denen die geomantischen Überlegungen und Aspekte sehr deutlich erkennbar und wahrnehmbar sind.

Neben der Qualität des Standortes beschreibt die Geomantie auch Energieflüsse und überregionaler Systeme. Der Engländer Alfred Watkins prägte den Begriff der Ley-Linie. Sie verbinden natürliche und künstliche Energiesysteme und -punkte. Diese Linien sind Träger und Übermittler von Informationen. An diesen Linien liegen Orte gleicher Prägung. Häufig finden man an den Linien auch Bildstöcke, "Heilige Bäume und Quellen", Brunnen, Einsiedeleien, Kirchen, Klöster, Wegkreuzungen, Burgen und Schlösser. Die Bauwerke stehen in einer Wechselbeziehung zu den Energieflüssen und der Standortenergie. Eine geomantisch gebaute Kirche, die auf einer Ley-Linie steht, aktiviert den feinstofflichen Aspekt weit über das Grundstück hinaus.

Die Geomantie bezieht viele Systeme bei der Betrachtung des Standortes mit ein. Dabei unterscheidet man zwischen den unterirdischen und den oberirdischen Gefügen. Neben den Wasseradern und Gitternetzen zählen die Erdstrahlen zu den wichtigsten unterirdischen Vertretern, zu den oberirdischen Systemen zählt man die Ley-Linien und Wasserläufe. Das Zusammenspiel vieler Faktoren prägt so die Eigenschaft eines Platzes.

Wasserläufe sind für geomantische Anlagen besonders wichtig. Wasser fungiert hier einerseits als Lieferant positiver und frischer Energie, andererseits sorgt er für den Abtransport verbrauchter Energien. Das Wissen um diese Wechselfunktion und dessen Einbeziehung in den Bauwerken läßt sich bereits im Altertum erkennen. Unter oder neben Sanatorien und Hospizen findet man immer breite Wasserläufe. Viele Kirchen sind über heiligen Quellen errichtet. Die Quelle versorgt hier das Bauwerk mit äußerst positiven Schwingungen, ist der Mittler zwischen den unterirdischen und oberirdischen Systemen und sorgt für einen harmonischen Ausgleich im Kirchenschiff.

Durch bauliche Maßnahmen am Bauwerk erreicht man eine weitere Konzentration der positiven Energien an bestimmten Punkten.

In Dresden und hier speziell in und um die Frauenkirche kann man einige dieser besonderen Qualitäten erleben:

Das Bauwerk steht auf einem sehr ruhigen und harmonischen Platz, auf dem sich bereits im 13. Jahrhundert die Filialkirche des Klosters Seußlitz befand. Unter der Krypta der Frauenkirche fließt eine starke rechtsdrehende Wasserader. Durch den runden Innenraum wird ihre sehr positive Energie im Bereich der Apsis konzentriert. Eine weitere Verstärkung kann man in Bereich der Krypta feststellen. Hier spürt man förmlich das Vibrieren und Pulsieren.

Grundriss Frauenkirche DresdenVielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, daß viele Leute vor dem Betreten einer Kirche kurz an der Schwelle innehalten. Unser Organismus reagiert in vielen Fällen unbewußt auf die Qualität eines Ortes. Die Ursache des kurzen Anhaltens liegt in einer besonderen Eigenheit, die bei Eingängen auftritt: Die Streifen des Globalgitternetzes treten hier in sehr engem Abstand auf und bilden eine unsichtbare Schwelle. Beim Durchschreiten streift man überschüssige Energie ab. Deshalb bezeichnet man in der Geomantie diese Bereiche auch als "Reinigungsschwellen". Der Besucher wird auf den heiligen Raum mit seinem Energiemilieu vorbereitet und eingestimmt. Gibt es eine Stiegenanlage vor den Bau, so liegen die Reizstreifen genau auf den Stufen. Oft befindet sich vor der ersten Stufe schon ein starker Reizstreifen und der Besucher wird dann im wahrsten Sinn des Wortes stufenweise vorbereitet. Auf der Türschwelle erfolgt dann das letzte Abstreifen der überschüssigen Energie und man betritt den Bau in idealer energetischer Konstitution. Beim Eingang auf der Westseite der Frauenkirche findet man eine sehr typische Reinigungsschwelle.

Am Grundriß der Frauenkirche erkennt man ein weiteres besonderes Spezifikum des Baus: der äußere Umfang bildet ein Quadrat, das die Erde und den Menschen - das terrestrische Prinzip symbolisiert. Der Innenraum bildet hingegen einen Kreis, der für die Alleinheit steht - dem höchsten Prinzip im Kosmos. Der Bau ist die perfekte Darstellung des Übergangs von der irdischen zur göttlichen Maxime, die durch die angebaute kreisförmige Apsis ihre Krönung erfährt.

So vereinen der Standort und der Bau der Frauenkirche in wunderbarer Weise eine Vielzahl der geomantischen Prinzipien und verströmt ihre positive Energie weit in die Umgebung hinein.

Geomantie ist ein sehr spannendes und abwechslungsreiches Gebiet. Jeder Platz besitzt seine ihn eigenen und typischen Qualitäten, die es zu entdecken und zu erleben gilt.

Allein sich mit der Symbolik eines Bauwerkes zu beschäftigen, kann jemanden schon viele Wochen und Monate beschäftigen und immer wieder zu neuen Entdeckungen führen.