Fülle, Schicksal und Tod
Geschichten für die Seele beginnen wie alle Geschichten. Es war einmal ...

»Es war einmal« ist nicht nur Vergangenes in Form von Zeit. Dies ist auch ein Anderswo, welches in der Seele wohnt. Ein Ort der Buntheit, Leichtigkeit, aber auch der Schwere. Es war einmal bedeutet, dass die Bewohner dieser Seelenlandschaft zu dir gehören. Sie leben, oft unbemerkt und ausgeschlossen in der Seele weiter. Geschichten erinnern! Erinnern, an Wünsche und Sehnsüchte, Heiteres und Trauriges, sowie an die Situationen im Leben, welche in der Tiefe der Seele »vergraben« wurden, weil das Hinschauen noch immer traurig macht und weh tut.

Sich an das erinnern, wo noch ein Ausgleich oder Abschied fehlt. Solches einem guten Abschluss zuführen, macht die Seele weit und bereit für Neues. Dazu muss man wissen: Geschichten des Lebens und der Seele sind nie Vergangenheit. Sie spinnen ihre Fäden aus dem Damals in das Heute und somit auch in das Morgen hinein. Die Seele beinhaltet die erlebte und angesammelte Geschichte eines Menschen. Seele ist er- und gelebtes Leben.

Die folgende Geschichte möchte erinnern und nicht werten. Erinnern an ...

... Fülle, Schicksal und Tod. Wird über die Fülle des Lebens gesprochen, wird meist auf den Umstand vergessen, dass Fülle auch Misserfolg beinhaltet. Ja, Misserfolg, Versagen, Verlust, all das ist in der Fülle (des Lebens) enthalten und gehört dazu.

Als einfaches Bild und bitte es ist wirklich nur ein Bild: Überall dort, wo ich in meinem Leben etwas nicht (an)nehmen kann, habe ich nicht teil an der Fülle. Beispiele hiezu führe ich nicht an, denn der Leser hat genug in seinem seelischen Fundus, wo er, wenn er möchte, nachschauen kann. Was dem Mensch in seinem Aussen begegnet und von ihm abgelehnt oder aus den verschiedensten Gründen nicht (an)genommen werden kann, zeigt ihm die weissen Flecken in seiner Seelenlandschaft. Sie erinnern an das, was er irgendwann abgespalten hat und warten nun darauf, dass sie wieder in die Seele heimgeholt werden.

Das Schicksal und der Tod sind zwei grosse Gestalten im Leben jedes Menschen. Nicht jeder kann oder mag sie näher anschauen. Über das Schicksal existiert eine Menge Literatur. Ändere es, bekomme es in den Griff, mach dir dein Schicksal untertan, und wie die Bücher alle heissen. Es wäre kindlich, zu glauben, dass dies möglich ist. Ebenso kindlich wie manche „Verträge“ mit dem lieben Gott vereinbart werden: Wenn du das für mich tust, dann werde ich nie wieder ..., oder dann werde ich das oder jenes für dich tun. Eine Kurzform vom Schicksal könnte lauten: Es ist so! Das Schicksal nimmt dir etwas (Geliebtes) weg, damit deine Schritte im Leben eine andere (neue) Richtung erhalten. Das mag auf den ersten Blick grausam sein, jedoch ist das Leben so.

Eine der wenigen Kulturen in denen es keine Totenbücher gibt, welche den Menschen auf den Zeitpunkt des Sterbens „vorbereiten“, ist die westliche. Hier ist Sterben noch immer ein Tabuthema. Die Gestalt des Todes wird als schlimmer Geselle gesehen und sein Nahen wird von den Menschen gefürchtet. Sein gütiges Gesicht entstellt, als scheussliches Gerippe mit der Sense in der Hand ist er bis auf wenige Ausnahmen seit alters auf vielen Darstellungen zu sehen. Ich lege ihm jetzt achtungsvoll folgende Worte in den Mund, welche er vielleicht in dieser Art und Weise sagen würde: Ich habe nichts, weder mit eurem Himmel noch mit eurer Hölle zu schaffen. Ich bin ein Gesetz der Natur, weder böse noch eine strafende Instanz! Mit dem Nachsatz: Ich bin nicht für das „Wie“, sondern nur für das „Wann“ zuständig. Er kommt als eine Art Reisebegleiter, damit der Mensch, wenn er seine körperliche Hülle ablegt, nicht verloren in einem fremden „Land“ dasteht.

Auch die Beurteilung des Lebens bezüglich seiner Länge ist eine Falsche. Wer erdreistet sich, zu behaupten, dass ein Leben, dass nur wenige Minuten währt, benachteiligter ist als ein Leben voll an Jahren. Wer dies so sieht, schaut nicht das Grosse, in dem jede Seele eingebettet und aufgehoben ist. Die Antwort auf die Frage, gibt es den „frühen Tod“, hat Bert Hellinger sehr anschaulich beschrieben. Er meint: In der Seele gibt es ein tiefes Einverständnis mit dieser Rückwärtsbewegung, die uns zu dem grossen Urgrund, aus dem wir hervorgingen, wieder zurücksinken lässt. Zurück sinken lässt zu einer Zeit, auf die wir keinen Einfluss haben. (Bert Hellinger)

So erfährt alles was wir in unserem Leben tun, eine besondere Kraft, wenn der Tod und das Sterben miteinbezogen werden. Wer seine Einstellung zum Tod wandelt und mit Gelassenheit auf seine eigene Vergänglichkeit blicken kann, füllt seine Lebenszeit anders aus, als derjenige, der meint, der Tod sei ihm feindlich gesonnen. Max Picard schrieb: »Das Leben ist so, das Zerbrochene ist schon in das Leben hineingewickelt, der Mensch ist nicht notwendig, dass er das Leben noch besonders zerbricht, er rollt im Allgemeinen nur das schon Zerbrochene heraus.« (Max Picard, Briefe an den Freund Karl Pfleger, Zürich 1970)

Der Abschluss dieser Geschichte sei der Hinweis, dass die Anfangs erwähnte Fülle des Lebens auch diese beiden grossen Gestalten, das Schicksal und den Tod beinhaltet, oder anders gesagt: In dem Masse wie wir den Tod zu ignorieren versuchen, ignorieren wir das Leben.


Verfasst von
Ferdinand J. Heindl
Forum Seele und Astrologie
www.f-s-a.at
Tel.: +43 (0)699 116 280 18

Zur Person des Verfassers:
Ferdinand J. Heindl, Autor eines Taschenbuches und Herausgeber eines astrologischen Spiels, astrologische Publikationen für Fachzeitschriften, seit vielen Jahren persönliche Beratungen, Vortrags- und Seminartätigkeit. Abgeschlossenen Fortbildung in Aufstellungsarbeit bei Dr. Peter Orban.