Gedanken zum Thema Schamanismus
von Dietmar Reitsammer
Wenn man über Schamanismus schreibt oder spricht, ist es wichtig zu erwähnen, dass Schamanismus viele Facetten aufweist und somit auf unterschiedlichste Art und Weise praktiziert wird.
Manche Stämme der Nordwestküste Amerikas leben nur 30 km von einander entfernt, haben jedoch eine total andere Tradition.
Was sicher alle schamanischen Traditionen verbindet, ist der Glaube an die Schöpfung und dass alles in ihr lebt und beseelt ist.
Der Mensch hat seit Urzeiten das Bedürfnis mit dem Göttlichen, mit den lenkenden Kräften der Mutter Erde in Verbindung zu treten. Dieses Bedürfnis ist auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen. Ist es für den einen der Wunsch, die Schöpfung zu lobpreisen, mag für andere Personen wiederum ein ganz praktischer Grund dahinter stehen.
So war es zum Beispiel bei Stämmen, welche vom Walfang lebten üblich, dass sie vor der Ausfahrt mit den hochseetauglichen Kanus fasteten, beteten und rituelle Bäder im kalten Wasser nahmen. Und nur wenn alle Jagdteilnehmer nach dieser Vorbereitungsphase einen Traum hatten, welcher die Jagd freigab, wurde sie auch eröffnet.
Lieder welche von Generation zu Generation weitergegeben werden, dienen zur Kommunikation mit den Wesenheiten bzw. Kräften der Natur. Diese Lieder wurden und werden bei manchen Familien noch immer als wertvollster Besitz angesehen.
Andere Gründe, um mit der Schöpfung in Verbindung zu treten, mögen Krankheit, Sinnsuche oder das intensive Gebet für andere sein. Doch gibt es sicher viele Motive, um mit dem Göttlichen bewusst in Kontakt treten zu wollen.
Eine weitere Praktik, welche aus diesen Motivationen hervorgeht, ist die weitläufig bekannte Visionssuche. Durch das Fasten, rituelles Reinigen und Beten in der Einsamkeit der Natur, öffnet sich der Mensch für das Göttliche. Er wird offen, die Stimme seiner eigenen Seele zu hören.
Der Mensch bereitet sich vor für die Geschenke, welche Mutter Natur für ihn bereithält.
Wird jemand zum Schamanen berufen, geht dem in der Regel eine sehr harte Vorbereitungszeit voraus. Deshalb werden Schamanen, Medizinmänner od. Medizinfrauen als verwundete Heiler angesehen. Nachdem diese Berufenen aus dem Schatten ihrer eigenen Krankheit herausgetreten sind, haben sie die Fähigkeit, bei diversen Krankheiten und spirituellen Problemen zu helfen.
Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Praktiken um sich selbst und anderen zu helfen.
Manche Leute heilen mit ihren Händen, andere mit Pflanzen, manche mit Liedern und Tänzen.
Gesang und Klang können die Art zu fühlen und zu denken verändern. Man verwendet so genannte Heilungslieder, um Menschen zu stärken und ihnen zu helfen, den Reichtum des eigenen Selbst zu erkennen. Es gibt Gesänge welche heilend wirken und Leid lindern können.
Gesänge werden für die verschiedensten Zwecke verwendet. Manche dienen dazu, um Schutzgeister oder Hilfsgeister zu rufen. Andere wiederum werden bei gesellschaftlichen Anlässen verwendet. Es gibt zum Beispiel Lieder, welche beim Beeren pflücken verwendet werden, um sich mit dem kollektiven Geist der Frucht zu verbinden. Damit bedankt man sich bei der Frucht und erweist ihr Respekt.
Lieder werden als Schlüssel angesehen, um mit Wesenheiten bzw. Kräften dieser Erde ja sogar des Universums in Verbindung zu treten.
Die Sichtweise, dass alles lebt und beseelt ist, und dass man mit der uns umgebenden Natur, in Verbindung treten kann, mag für den westlich geprägten Verstand schwer nachvollziehbar sein.
Dieses Verständnis ist jedoch allgegenwärtig in Gebieten, wo die Natur noch in ihrer ursprünglichen Komplexität besteht.
Dieses Verbundensein - in schamanisch geprägten Traditionen - spiegelt sich in allen Bereichen des Lebens wieder. Wird zum Beispiel ein rituelles Gewand oder ein ritueller Gegenstand angefertigt, betet man vor Beginn der Arbeit um einen Traum oder eine Vision. Diese Bilder zeigen dem Menschen wie ein Gegenstand aussehen soll oder wo das richtige Stück Holz für das Schnitzkunstwerk zu finden ist.
Die Alten sagen: „Es ist wichtig und gut miteinander zu meditieren, zu singen sich gegenseitig zu stärken und zu ermutigen“
Doch letztendlich muss jeder selbst seinen eigenen Zugang zum Göttlichen finden.