Familienstellen – Bewegungen der Seele
Ein Exkurs über die Arbeit des Familienstellens

In letzter Zeit wird Familienstellen sehr propagiert. Doch wo führt dieser „Wildwuchs“ an Aufstellern und ihren Methoden hin? Achtet der Aufstellungsleiter bei all der angebotenen Vielfalt auf die Seele des Klienten und ihre Bedürfnisse? Oder lässt er sich bei der Arbeit von seinem Ego leiten und ist davon überzeugt, dass er es besser weiss, was für den Klienten gut ist?

Doch beginnen wir am Anfang. Und wir wollen nicht auf jenen Menschen vergessen, welcher das Familienstellen begründet hat: Bert Hellinger. Ja, für manche mag er umstritten sein, doch beruht dieser Umstand auf der Tatsache, dass nur die „halbe Wahrheit“ erzählt wird. Die Grundlage des Familienstellens sind nun mal Bert Hellingers Einsichten im Bereich der Seele und die Ordnungen im Herkunfts- und Gegenwartssystem, sowie den darin wirkenden Kräften.

Wie könnte man Familienstellen definieren? Familienaufstellung beruht nicht auf »(weg)machen«, sondern zeigt das Eingebunden-Sein in deine familiäre und individuelle Schicksalsgemeinschaft: Mutter, Vater, Geschwister, Tanten, Onkel, Grosseltern, (Ehe-)Partner, Kinder, Ahnen, und andere. (Einzel-)Schicksale und Ereignisse (Trauer, Trennung, Schuld, Ausgeschlossenes, nicht Geachtetes, Ungewürdigtes, usw.) weben die individuelle Geschichte deines Familiensystems. Solche Verstrickungen der Seele prägen das familiäre Unbewusste und wirken meist über Generationen weiter.

Aufstellungen ermöglichen es, das familiäre Unbewusste und die im Familiensystem unsichtbar wirkenden Kräfte im Aussen sichtbar zu machen. Wo möglich, werden diese Bewegungen der Seele in Gang gebracht und zeigen so den nächsten Schritt: was lange ausgeklammert war, darf nun dazugehören, Aufgebürdetes und Fremdes kann abgelegt werden, du kannst nehmen, was zu dir gehört. Du kannst in Einklang kommen, womit du verbunden bist.

Die seriöse Arbeit des Familienstellens hat sich seit den Anfängen verändert und erweitert.
Ein Merkmal wäre z.B. die Anzahl der Stellvertreter, welche von Beginn an aufgestellt werden. Die Stellvertreter werden nicht mehr vom Klienten in den Raum gestellt und es wird ihnen keine Blickrichtung zugewiesen. Sie werden ihren eigenen Bewegungen, den Bewegungen der Seele überlassen.

Das heutige Familienstellen arbeitet mit einem Minimum. In der Praxis bedeutet das, dass eine Aufstellung auch mal nur mit einer Person beginnt und im Laufe der Aufstellung jene, die zum Anliegen des Klienten in der Seele dazugehören, in das Feld gestellt werden.

Das Anliegen des Klienten.
Wer mit Klienten arbeitet, dem ist nur zu gut bekannt, dass die Geschichte des Klienten nur der Vordergrund des Themas ist und dass diese natürlich von der Sichtweise des Klienten gefärbt ist. Das bedeutet in der Praxis, wenn ich dem Klienten „auf dem Leim“ gehe, ihm nachgebe und das aufstelle, was dieser möchte, führe ich nicht nur den Klienten in die Irre sondern auch mich selbst. Warum? Nun, hätte der Klient für sein Anliegen bereits die Lösung, würde er nicht am Stuhl neben mir sitzen!

Der Klient erzählt seine Geschichte. Und es ist wichtig, zu wissen, dass diese Geschichte von seiner Sichtweise gefärbt ist. Mein sehr geschätzter Freund und Lehrer Dr. Peter Orban pflegt zu sagen: Ich glaube dir, mit viel Liebe, nichts von dem, was du mir erzählst. Und im Nachsatz: „Ich schau mir das in der Aufstellung an. Die Stellvertreter werden es uns zeigen“. Das ist wahre Grösse im Familienstellen. Auf das Feld zu vertrauen, was es zeigt und mit dem Feld zu gehen.

Ebenso muss der Aufstellungsleiter bereit und fähig dazu sein, sein Ego zurück zu nehmen.
Was bedeutet das? Wenn er sein Ego zurücknimmt, kann er mit der Seele des Klienten gehen. Handelt er aus seinem Ego heraus, bestimmt der Aufstellungsleiter was für den Klienten gut ist und lässt der Seele des Klienten nicht den nötigen Raum.

Was heisst das, mit der Seele des Klienten zu gehen? Nun, wer mit der Seele des Klienten geht, arbeitet achtsam in diesem sensiblen Bereich. Wer mit der Seele des Klienten geht, mutet ihr nie ein Zuviel in einer Situation zu.

Der nachfolgende §1 aus dem astrologischen Codex von symbolon (Dr. Peter Orban) kann ebenso auf die Arbeit des Familienstellens, insbesondere auf den Aufstellungsleiter selbst übertragen werden. (Der gesamte astrologische Codex ist auf meiner Forumseite http://www.f-s-a.at/astrologencodex.htm nachzulesen).

§1 Die Aufgabe des Astrologen
Der Astrologe, der glaubt, mit seiner Arbeit seinem Klienten zu helfen oder gar ihn heilen zu können, unterliegt im ersten Fall seinem Helfer-Syndrom und im zweiten seinem Größenwahn. Beide Figuren, sowohl das Helfer-Syndrom als auch der Größenwahn, sind freilich unbewusst und werden hinter durchaus wohlmeinenden Absichten vorborgen. Es ist nicht die Aufgabe des Astrologen, zu helfen und die Entscheidung darüber, ob eine Heilung geschieht, unterliegt einer höheren Instanz als dem kleinen Ego des Astrologen. Astrologen haben ein Amt und dieses Amt besteht darin, ein Anwalt der Seele zu werden. D. h. sich zum Fürsprecher der Seele zu machen, ihre Rechte zu vertreten und ihre Belange wahrzunehmen. Diese Anwaltschaft besteht darin, die Rechte jeder Figur (jeder Person) im Inneren der Seele zu schützen, ihr zu mehr Bewusstheit und zu mehr Bewusstsein zu verhelfen und das heißt mit einem Wort: Die Seele an sich selbst zu erinnern! Der Astrologe ist damit kein Helfer, kein Heiler, sondern ein Erinnerer! Dieses Erinnerungswerk im Inneren der Seele mit all seinen Kräften zu unterstützen, ist die einzige Aufgabe des Astrologen. (Ende §1)

Damit der Aufstellungsleiter den Themen einer Familienaufstellung Raum (und zwar ohne Angst vor dem was sich zeigt) geben kann, ist es unbedingt erforderlich, dass er an seinem eigenen Herkunfts- und Gegenwartssystem gearbeitet hat. Und dass er eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich erfahren hat. Es reicht nicht, an einigen Familienaufstellungen als Stellvertreter teilgenommen zu haben und nun mit dem eigenen Grössenwahn Hand in Hand Aufstellungen anzubieten. Wer dies tut, handelt unverantwortlich denen gegenüber, die sich ihm anvertrauen. Gemäss dem uralten Spruch: Wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen.

Es ist modern geworden, Familienstellen mit vielen Dingen zu verknüpfen und bei solchen Angeboten sollte jeder seinen gesunden Hausverstand benutzen. Hier einige Beispiele: Wer in einer Familienaufstellung nicht den Weg zu seinem Vater „gehen“ kann, schafft dies auch nicht, wenn der Vater (schamanisch) als Eichhörnchen in der Aufstellung steht. Wobei die Grösse eines Eichhörnchens entgegengesetzt der Ordnung in der Seele ist. Dein Vater wird immer dein Vater sein und er ist, auch wenn es dir nicht gefällt, immer, wie auch deine Mutter, grösser als du. Warum? Du bist nur das Kind!

In manchen Aufstellungen hat es sich eingebürgert, diese mit Trommel und Musik zu begleiten. Jeder mag sich seine eigenen Gedanken hiezu machen. Für mich wird die Seele abgelenkt. Sie braucht keine Hilfsmittel um eine Versöhnung herbeizuführen. Was die Seele braucht, ist Achtung und Würdigung für das, was war und was Wirklichkeit ist! Familienstellen ist ein wirksames Instrument – in den Händen von achtsamen und verantwortungsvollen Aufstellungsleitern. Es ist eine autarke und effiziente Arbeit und benötigt keinerlei Spielarten aus anderen Disziplinen.

Warum geschieht dies dann doch immer häufiger? Ein wahrer Kuddel-Muddel ist auf dem esoterischen Markt beim Familienstellen im Entstehen. Und, wie sollte es auch anders sein, sind ebenso die Angebote, die hier im Wildwuchs spriessen, ein Kuddel-Muddel. Mannigfaltiges beginnt in letzter Zeit in diese Arbeit einzufliessen: Tantra, Schamanismus, Mantren, usw., sollen (schneller) Ordnung schaffen im Familiensystem.

Was wird durch solche Spielarten verhindert?
Das Hinschauen! Und das ist das Einzige, was hilft. Hinschauen und dem zustimmen was war und was ist. Mit dem Hinschauen ist ebenso ein Anerkennen des Schicksals verbunden. Obwohl eine Menge Literatur und Meinungen vorherrschen, welche das Schicksal seiner Grösse berauben und vorgaukeln, dass man es ändern oder gar abwenden könne. Noch nie hat jemand sein Schicksal besiegt, ebenso wenig die zweite grosse Gestalt im menschlichen Dasein: den Tod. Untrennbar sind diese beiden grossen Gestalten mit dem Familienstellen verbunden. Wer als Aufstellungsleiter Scheu vor ihnen hat oder sich ihnen nicht mit gebührender Achtung nähern kann, der tut gut daran, die Finger von dieser Arbeit zu lassen.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Familienstellen und Arbeit an der Seele nichts mit dem am Markt üblichen Angebot von Bussi-Bussi-, oder Umarmungsseminaren zu tun hat, die da gemäss dem Motto, ich bin OK, du bist OK, erhellend und humorvoll veranstaltet werden. Dagegen mag ja auf den ersten Blick nichts einzuwenden sein, doch ist es für einen erforderlichen Ausgleich oder eine Versöhnung zu wenig, nur diesen Satz zu sagen. Wer meint, das Anliegen des Klienten so lösen zu können, hat nichts verstanden.

Noch ein Wort zur Funktion des Stellvertreters.
Die Funktion des Stellvertreters beim Familienstellen ist eine gute Gelegenheit, um Familienstellen kennen zu lernen. Auch der Stellvertreter profitiert von der Teilnahme an den Aufstellungen. Was er hört und erlebt in den Aufstellungen, hilft seiner Seele sich zu erinnern.


Verfasst von
Ferdinand J. Heindl
Forum Seele und Astrologie
www.f-s-a.at
Tel.: +43 (0)699 116 280 18

Zur Person des Verfassers:
Ferdinand J. Heindl, Autor eines Taschenbuches und Herausgeber eines astrologischen Spiels, astrologische Publikationen für Fachzeitschriften, seit vielen Jahren persönliche Beratungen, Vortrags- und Seminartätigkeit. Abgeschlossenen Fortbildung in Aufstellungsarbeit bei Dr. Peter Orban.